Mittwoch, 12. August 2015

Durch Fell zum Gold: Gerben lernen


Altes Handwerk wie das Weißgerben begegnet einem heuer kaum noch im Alltag. Kaum jemanden kann man danach fragen. Umso wichtiger, diese Kenntnisse am Leben zu erhalten – weswegen ich besonders dankbar bin, dass ich bei Frank Petersen aus Dadow Einblick in diese alte Kunst der Werterhaltung gewinnen konnte.

Der Weißgerber - ein Werterhalter

Frank hatte hierzu Felle und Leder in unterschiedlichsten pathologischen Stadien vorbereitet, um alle Schritte der Kunst des Weißgerbens üben zu können.
 Eigentlich ist das Weißgerben heutzutage die klassische Umsetzung des Gedankens, aus Müll Geld (oder wenigstens Werte) zu machen, denn die meisten Felle, die so anfallen, werden als Abfall entsorgt oder – dann läuft es schon gut in der Werterhaltung – als Dünger im Feld- oder Gartenbau vergraben.

 Alles in allem war es mal wieder ein Schritt auf dem Weg zu meiner ersten Million, der mich dazu brachte, bei Frank Petersen einen Seminartermin zu buchen. Frank traf ich auf dem Biosphärenmarkt in Zarrentin am Schaalsee, wo er jeden ersten Sonntag im Monat gemeinsam mit seiner Frau orientalische Fladen (eigentlich ist er Islamwissenschaftler), hausgemachte Seifen und eben wohlriechende, weiche Felle verkauft. Mein Interesse war geweckt, wurde doch im Selbstversorgerforum bei Facebook (spannende Webseite hierzu: www.die-selbstversorger.de) darüber geklagt, wie bedauerlich es sei, Felle stets vernichten zu müssen, weil das Gerben so teuer ist....aus müll zu Geld, nichts leichter als das, sprach ich zu mir selbst...

Das Weißgerben

 Das Weißgerben ist eine von vieleln Möglichkeiten, Häute und Felle haltbar zu machen. Neben der Chromgerbung ist es die ungefährliche bio-chemische Variante. Daneben gibt es noch die vegetabile Gerbung und das Hirngerben (ja, wie der Name schon sagt: Hirnmasse spielt dabei eine Rolle!).
Tja, welche Art auch immer: Gerben hat mit toter Materie zu tun und ist ein Handwerk, war ein mittelalterliches Handwerk der gesellschaftlichen Randexistenzen....
..... und was dann kam, war wirklich das, was man auf dem harten Weg vom Müll zum Gewinn erwartet:

  • stinkende Tierhäute (Reh, Nutria, Marder) – leider statt 12 Stunden schon ganze 48 eingeweicht und entsprechend müffelnd
  • echte Handarbeit ( = Wertarbeit!)
  • ein stolz machendes Resultat

14 Tage und 11 Schritte: Weißgerben für Anfänger


Das Ganze wurde dann in nachfolgenden elf Schritten verarbeitet:

-         Die Häute werden (wurden in dem Fall) vorbereitend so frisch wie möglich (!) gewässert. Die Hautschichhten quellen auf und lösen sich so von der Schwarte (erster Tag)
-         Anschließend (und das ist eigentlich der ekligste Teil) werden sie auf dem Gerberbaum entfleischt – dies geschieht mittels eines Ziehmessers und sehr sorgfältig, denn jeder noch für Bakterien lukrative Geweberest kann einem die Garbe, also die Gerbbrühe, versauen.
-         Um zu sehen, wie gelungen das Werk ist, wird das Fell gespült und gewaschen, was jetzt mit einer sanften Lauge geschehen kann (Neutralseife)
-         Anschließend setzte man die Garbe an. In diese, bestehend aus Wasser, Kaliumaluminiumsulfat (Alaun) und Natriumchloridd Kochsalz, werden die Felle dann bedeckt gelegt. Durch de hohen Mineralgehalt diffundiert das Salz in die Zellen, die wiederum platzen und das organische Wasser vollends ausscheiden. Außerdem zerlegt die Garbe die Proteine in der Haut, was sowohl deren Stabilität als auch ihren Nahrungswert negativ beeinflusst. Sprich: das Ganze gammelt nicht mehr und wird bei entsprechender Bearbeitung weich. (10 Tage)
-         Nach zehn Tagen wird das Fell mitsamt Leder aus der Garbe gehoben und gespült, bis möglichst keine Salzkristalle mehr vorhanden sind.
-         Dann trocknet das Fell etwa ein bis zwei Tage.
-         In noch ausreichend feuchtem Zustand wird es mit Fett eingerieben – auf der Lederseite. Hierzu eignen sich Glyzerin, aber auch pflanzlich Fette. Der Trockenprozess geht weiter, bis das Leder beginnt, hart zu werden, aber noch Flexibilität besitzt. (zwei Tage)
-         Jetzt kommt am letzten Tag der eigentlich aufwändige Arbeitsschritt, das Stollen und Strecken. Hierzu wird das Präparat mit der Lederseite nach unten auf einem sogenannten Stollmond, einer ausgedienten und fixierten Axt oder einer stumpfen Sense engwinklig hin und her gezogen, was das Leder wieder weich werden lässt, weil die physikalische Einwirkung die in der Haut befindlichen Eiweiße, die Kollagene, aufbricht. So entsteht eine neue Textur des Leders – es wird weich und geschmeidg und bleibt dennoch haltbar und stabil.
-         Nach dem Stollen wird das Leder mittels eines Schleifsteins oder eines Schwing- oder Excenterschleifers geschliffen,
-         die Kanten werden beschnitten und abschließend wird das Fell nochmals
-         gekämmt und gesäubert.

Und dann hat man, nach etwa insgesamt drei Arbeitsstunden für ein mittelgroßes Ziegenfell und 14 Tagen ein natürlich gegerbtes, absolut einmaliges und im Grunde unbezahlbares Fellchen – das man naürlich nach Belieben weiterverarbeiten kann.

Das macht dann aber der Kürschner!

Kurse buchen kann man bei Frank übrigens am besten per Mail: dadow@outlook.de

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